memyselfandi
Ein Jet-Lag, ein echter Jet-Lag. Mit allen Schikanen. Mann, das fühlt sich so richtig scheiße an. Es wird vermutlich noch ein oder zwei Tage dauern bis meine Neandertalerbiologie diese Nummer verarbeitet hat. Aber hej! - was für ein Luxus. Für einen Jet-Lag muß man immerhin unter deutlich unkomfortablen Umständen ziemlich weit reisen. Man muß so unbequem reisen, daß man unterwegs auf keinen Fall in den Schlaf kommt. Das ist in der economy class lässig zu gewährleisten. Selbst mit einer Körperkürze von 166 Zentimetern. Man wollte immer einmal sagen können, wenn man so richtig neben sich steht und einer danach fragt:"Jetlag." Leise, leiernd, ohne jeglichen Bindestrich. Mit einem leidenden Unterton, so wie weiland Rene Russo in der Thomas Crown Affair. Auch wenn man dabei nicht unbedingt etwas undefinierbar Grünes trinken wollte. Und überhaupt - je älter man wird, desto g... enialer fühlt sich das an irgendeine Erfahrung zum ersten Mal zu machen. Dann frisst Elise zum ersten Mal überhaupt einen meiner Texte und ich find's plötzlich nicht mehr klasse eine Erfahrung zum ersten Mal zu machen ... und muß über mich selber lachen. Ach, Eitelkeit & Tagebuch, Müdigkeit & Schnupfentuch - ich fang mir einfach nächstes Jahr einen neuen Jetlag. Der wird nicht mehr der erste sein. Und sich immer noch scheiße anfühlen.
Die Iden des März (leicht verfrüht)
kathleen
Wie wunderbar das für die Seelenhygiene sein kann endlich einmal klar auszusprechen, daß man nicht immer, überall, um jeden Preis und gegen jeden nett sein wolle. Mach' ich jetzt öfter. Dann gelöscht zu werden, fühlt sich fast noch besser an. - Nein, ich bin kein Masochist. Ich lege lediglich Wert auf Gradlinigkeit. Vor allem meinerseits. Für das Totstreicheln bin ich nicht zu haben.
Über Streckennetze und Netzwerke
Eigentlich haben wir gar keine Lust schon nach Berlin zurückzufahren. Auf den Fenstern liegt der Wind in schweren Böen, drinnen prasselt gemütlich der Ofen, und es heißt, es könnte verflixt stürmisch werden. Die Schwiegermutter jedoch wirkt unruhig, hat für Freitag jemanden zum Kaffee eingeladen, außerdem den Kopf schon voller Pläne für die weitere Renovierung des gerade bezogenen Hauses. Auf meine Andeutung, man könnte ja noch zwei Tage dranhängen, reagiert jedenfalls niemand.
Am Bahnhof Westerland weht eine steife Brise, man hat da aber schon mehr erlebt und ist nicht beunruhigt. Die Chancen noch nach Hause zu kommen, ehe es losbricht, stehen gut; es ist ein durchgehender schneller Zug. Lesend, teetrinkend, durchaus behaglich, rollt man durch einen grauen Tag, mit dem Gefühl des gerade noch Davongekommenen.
Zu früh gefreut. »Verehrte Fahrgäste, dieser Zug endet heute in Hamburg, Hauptbahnhof. Wir verfügen über keinerlei Informationen über Ihre weiteren Reisemöglichkeiten. Bitte wenden Sie sich an das Servicepersonal in Hamburg.« Später erfahre ich, daß zum Zeitpunkt dieser Durchsage bereits das gesamte Streckennetz geschlossen worden war.
In Hamburg stehen wir fast zwei Stunden am Servicepoint an. Nur zwei von vier möglichen derselben sind überhaupt besetzt, die Schlangen davor haben das Ausmaß sehr, sehr großer Anacondas. Die Auskunft, die wir bekommen, ist kurz, sehr ruppig: »Ihre Tickets gehen uns nichts an, wenden Sie sich an den großen Kaffeeröster. Und lösen Sie morgen zwei neue Tickets Hamburg-Berlin.« Na toll. Verdammt teurer Spaß wird das. Und wenn die sich auf höhere Gewalt berufen, warum darf ich das dann, die Gültigkeit der Tickets betreffend, nicht ebenso?
Zwischendurch rufe ich Herrn Paulsen an: »Sag' mal, magst du vielleicht zwei Gestrandete bis morgen aufnehmen?« frage ich. Herr Paulsen versteht mich falsch, glaubt, ich wolle ihm zwei völlig Fremde schicken, zögert deshalb sehr kurz, und bittet dann, die Gefährtin vorwarnen zu dürfen. Er selbst nämlich, er sei seinerseits in Göttingen gestrandet, ob ich dort jemanden wüßte? »Ich frage Isabo« sage ich. »Ich glaube, sie weiß da jemanden.« Als ich Isabo erreiche, hat er schon mit ihr gesprochen, die Vermittlung ist eingeleitet. Immerhin kann ich sie nun mit uns beiden Asylsuchern belästigen. Die Gefährtin von Herrn Paulsen kennt uns noch nicht; er, der uns kennt, wird nicht anwesend sein, da ist die Unruhe, man könnte jemanden noch mehr als ohnehin schon zur Last fallen und womöglich in seiner Fremdheit ein echter Fremdkörper sein, ein recht hoher Zaun. Isabo sagt »Na klar!« und »Der Mann nickt auch. Soll ich noch was kochen?« Kichern, lachen. Ich halte das für einen Scherz, immerhin ist es schon fast neun. Es wird sich bald herausstellen, daß es kein Scherz war. Wenigstens kann ich - zum allgemeinen Gelächter - noch Brot zur köstlichen Suppe beisteuern, das für das Frühstück in Berlin gedacht gewesen war. Der Mann empfielt sich sehr spät ins Bett, um acht fängt für ihn der Arbeitstag an. Ich bin die nächste, die auf das wunderbare Gästesofa verschwindet, fröhlich, hundemüde und rosétrunken. Es muß wohl, erzählt Isabo am nächsten Morgen, der längst keiner mehr ist, so etwa sechs gewesen sein, als sie sich zu dem Ihren legte und der Meine sich zu mir. Eine lustige wunderschöne Nacht, die man uns auch deutlich ansieht. Alle sind guter Dinge und ein wenig angeschlagen. Isabos Liebster findet uns beim 'Frühstück', es ist fast zu gemütlich, wir hocken noch eine ganze Weile beim Kaffee. Irgendwann sage ich: »Wir hatten um Asyl für eine Nacht gebeten, von 'Einziehn' war nie die Rede.« Aufbruch also.
Der Bahnhof sieht nicht mehr so sehr nach Notstandsgebiet aus wie in der Nacht, die Züge dafür um so mehr. Rappelvoll mit genervten übermüdeten Menschen, sieht der erste Zug eher nach Viehtransport aus, wir lassen ihn fahren. Der nächste wirkt nicht viel anders, aber nun sind wir es wirklich leid, den nehmen wir. Glück gehabt - Sitzplätze im Speisewagen. Service ist unmöglich, es wäre kaum ein Durchkommen. Das Serviceteam ist glücklich über die ruhige Kugel, die ganze Fahrt über hören wir sie hinter uns lachen und scherzen. Überraschung: Die Schaffnerin schreibt uns die Tickets gültig. In Berlin wird man ohne hin und her unsere neugekauften Tickets zur Rückerstattung nehmen. In drei oder vier Wochen werden wir uns nochmal sehr an Kyrill und die Nacht, in der die halbe Republik irgendwo strandete, erinnern. Dann wird dieses Geld auf dem Konto ankommen.
Einen lieben Dank nochmal an unsere Gastgeber für die liebevolle Rundumversorgung, und auch an unsere Gastgeberin in spe, für das schöne Telefonat und die Bereitschaft zwei ganz und gar Unbekannten ein Nachtlager zu geben.
Nicht zu vergessen der dicke Dank an die Freundin, die Katzen und Wohnung vorbildlich hütete, und sogar die Blumenkästen vor dem Sturm in Sicherheit brachte.
Ihr seid klasse. Alle.
The Tempest
Die Nacht wird älter, der Sturm lauter. Es ist sehr schön hier. Und doch kann mich nichts und niemand heilen - in dieser Nacht - von der Sehnsucht nach meinen Felidae und meinem ganz eigenen Bett. Der Sturm tobte um die Ecken und wird nun im Minutentakt schwächer. Inzwischen erscheint er wie ein zu sehr behütetes Mädchen. Dem man dennoch willfuhr.
Das Mehdorn ein Feigling ist, ist keine neue Erkenntnis. Ich mochte ihn nie. Jetzt noch weniger.
Das Hamburger Asyl ist wundervoll. Und wir gehen noch ein wenig trinken. Dann schlafen.
Die Bahn ist ein verdammter Kriegsgewinnlerverein ohne Arsch in der Hose, vom Gerechtigkeitssinn ganz zu schweigen. Punkt.
African nights
Die Zikaden übten wer-brüllt-lauter als gelte es einen Preis zu gewinnen, an der Decke kreiste träge der Ventilator und raubte mir den letzten Nerv mit seinem defekten Kugellager. Klack -- klack -- klack -- klack. Okay, dann eben nicht. Gehen wir raus in den Hof. Ich schnappte mir Zigaretten und Feuerzeug und schlich leise aus dem Zimmer. Um die andern nicht zu wecken, machte ich im Innenhof kein Licht, zog die Tür leise hinter mir zu und setzte tastend den ersten Schritt auf die Fußmatte.
Oha. Etwas Warmes an der Flanke des nackten linken Fußes spüren, und dann genug Geistesgegenwart haben dem Reflex nicht nachzugeben, das kann sehr wichtig werden in Afrika. Kaum wagte ich zu atmen, schob Arm und Hand Millimeter für Millimeter in Richtung des Lichtschalters, bedacht, mich so wenig wie möglich zu bewegen. Klick. Was ich sah, war kaum angetan mich zu beruhigen: Eine kleine grüne Mamba schmiegte sich an meinen Fuß und blickte, durch das Licht aufmerksam geworden, aus kleinen grün-schwarzen Knopfaugen zu mir auf.
Solange sie jung sind sehen sich die völlig ungefährliche Smaragdschlange und die absolut tödliche grüne Mamba zum Verwechseln ähnlich; man unterscheidet sie unter anderem an der Form der Pupillen. Die Smaragdschlange hat katzenähnliche Pupillen, die der Mamba sind eher rund. Ein Antiserum zum Gift der Mambas - gleich ob grün oder schwarz - gibt es bisher nicht.
Hier gab es kein Vertun - das war eine Mamba. Ich weiß nicht wie lange ich auf dieser blöden Matte stand wie eingefroren, den Herzschlag überlaut in den Ohren, meinen Leichtsinn verfluchend. Verdammt. Ohne Schuhe und ohne Licht. Wie konnte man so blöd sein?!
Eine Ewigkeit später entschied das Tier schließlich, es sei ihm hier endgültig zu hell, und glitt lautlos davon. Die Spannung in meinem Körper löste sich anfallartig. Klappernd schlugen die Zähne aufeinander; ich zitterte von Kopf bis Fuß wie im Schüttelfrost.
O. wunderte sich am nächsten Morgen über mein nächtliches Bedürfnis nach einem doppelten Whisky - Flasche und Glas hatte ich auf dem Tisch stehen lassen. Ich habe es ihm nie erklärt.