BEYOND the void
14/
04

Abhandlung über die Risiken römischer Dampfbäder

Gerade habe ich mir den Schaum aus den Haaren gespült und will aus der Dusche treten, da vertritt er mir mit vertraulichem Grinsen den Weg: "Kathleen?" Ein schönes, markantes Gesicht, dunkle warme Augen, halblanges Haar, ein schöner Körper, fragend gehobene Augenbrauen. - Verdammt, erwischt! Wer zum Teufel ist das? Null Ahnung. Aber er benimmt sich als kenne er mich aus ganz alten Zeiten, auch die Tatsache, daß wir uns splitternackt im Sanitärbereich einer Sauna gegenüberstehen, ist ihm offenkundig nicht unangenehm, er legt mir gar die Hand auf die nackte Schulter. "Hej, wirklich schön, daß wir uns hier treffen! Gehen wir 'was trinken?" sagt er, pflückt meinen Bademantel vom Haken (Woher weiß er, daß das meiner ist, da hängen noch vier andere??) und hält ihn mir einladend hin. Soviel Selbstbewußtsein entwaffnet mich, zumal mein organischer Computer noch immer keine Daten ausspuckt Nein, wirklich, nie gesehen! Wir gehen in den Restaurantbereich, leiser Jazz rieselt auf uns herunter, es ist wirklich sehr angenehm hier. Seine ruhige tiefe Stimme fragt dieses und jenes, hält ein Oberflächengespräch in Gang. Die dritte Apfelschorle, und mein Gehirn qualmt schon. Soviele Rückbezüge hat er ins Gespräch einfließen lassen, auf mein Leben, meine Wohnung, meine Freunde in den letzten zwei Jahren... Ich muß den kennen! Gut, zwei Jahre also... ich grüble und grüble. Wir treffen uns im Ausgang der Sauna wieder, er lädt mich noch auf einen Kaffee ein, bittet um meine Telefonnummer - die neue, sagt er, habe er nicht, weil ich doch im Jahr xyz, als wir uns schon aus den Augen verloren hatten, umgezogen sei. Eine innere Stimme warnt mich, ich vertausche mehrere Ziffern der Nummer. - So toll finde ich den auch wieder nicht, daß ich ihn wiedersehen muß. Und werde wohl auch damals einen Grund gehabt haben ihm meinen Umzug nicht mitzuteilen. [Immer noch keine Idee, woher ich den kenne, immer noch keine Lust mir eine - weitere - Blöße zu geben.] Der Abschied fällt meinerseits leicht verkrampft aus.

Stunden später - längst sitze ich wieder am Schreibtisch - fallen endlich die Puzzlestückchen an die richtigen Plätze. S. und ich hatten im römischen Dampfbad gesessen - nach zwei Jahren in Frankreich war sie gerade wieder zurück - und hatten uns wispernd gegenseitig auf den neuesten Stand gebracht. Zwar waren wir per Mail im sporadischen Kontakt geblieben, aber die großen Ausführlichkeitsschreiber waren wir damals beide nicht. Im Dampfbad sah man die Hand vor Augen nicht; er mußte lange vor uns schon im Raum gewesen sein und keiner von uns hatte ihn bemerkt. Kein Wunder, nach zwei Jahren hat man sich viel zu erzählen, fast Stirn an Stirn, überdies die spezielle Akustik des Raumes völlig vergessend.

[Einer der Erinnerungballons aus dem Bereich 'Verdrängtes', angestoßen von Modeste.]

real life  2005 · 00:07  # ·  x  | 537 x gelesen pixel