nocturnal rant X
Tiefpunkt
Schon als es galt mich einzuschulen, gab es Probleme. Es war klar, daß einige Operationen anstanden. Es war klar, daß sich ein anderes lange bestehendes Gesundheitsproblem noch nicht ausgewachsen hatte. Meine Eltern fragten mich. Und ich entschied, daß ich zur Schule gehen wollte. In jenem Jahr, nicht im nächsten. Mein komischer kleiner Körper holte mich ein. Ausschulung nach einem halben Jahr, Operationen, Rekonvaleszens, bla, bla, bla. Als ich wieder eingeschult wurde, konnte ich schreiben und lesen und langweilte mich fast zu Tode. Sich von OPs zu erholen ist grauenvoll öde, da macht man so einiges, Hauptsache es fordert und man kann aufhören die Zimmerdecke oder das Sofakissen anzumeditieren. Nach Ende der Grundschulzeit Gymnasium, dann Uni. Alles erfolgreich abgeschlossen. Trotzdem keinen Job gefunden. Weitergelernt. Unterm Strich heute 4 Berufe mit Diplom/Abschluß/Auszeichnung etc. Ein, zwei befristete Festanstellungen, Zeitarbeit etc. Kein Wort so oft gehört wie 'überqualifiziert.' Jetzt leben vom fünften Beruf, dessen Basis autodidaktisch erworben im Laufe von zwei Jahren. Das ganze Leben den Kopf gefüttert, sich weiter(aus)gebildet. Altersicherung? Mangels finanzieller Masse - über all die Jahre! - minimal. Rente? - Hohngelächter. Die Existenzangst so normal wie der Pulsschlag und das Atmen.Inzwischen der eigenen Endlichkeit überbewußt. Und das Hamsterrad wird nicht aufhören. Ein Leben im Kampf. Neid auf die Berufssöhne und -töchter. Auf die Erbmillionäre. Auf die Leute, die sich mit wenig Talenten in einer Lücke einnisten konnten und mit wenig Arbeit irre viel verdienen. Die Idee mit der Million-Dollar-Page hatte ich vor 4 Jahren. Und fand sie albern, unrealistisch. Tja. Nicht, daß ich diese Welt nicht mehr verstehe - ich bin mir vielmehr nicht sicher, ob ich sie je verstanden habe.
Wie soll man da noch Glück fühlen können? Manchmal weiß ich es nicht mehr.
[Nachgedanke: Natürlich gibt es immer Menschen, denen es viel mieser geht, keine Frage - und ich rede jetzt nicht von krankheitsbedingten Schicksalsschlägen. Das fällt unter höhere Gewalt. Ich frage mich vielmehr: Wie kann es angehen, daß man sich sein ganzes bisheriges Leben in jeder Beziehung den Tuches aufreißt und trotzdem ... kommt es irgendwie nicht in Fluß. Schlechter Stern? Zu weich? Zu eigen? - Ach, fragt mich nicht ...]