Feminismus, reverse version
Jede Schraube kannte ich an der Maschine. Jede. Mit Vornamen. Die Zeit des Führerscheins 'auf Probe' war vorbei, zwei Freunde und ich setzten uns einen Nachmittag an die Kiste, tauschten die kleine gegen die große Nockenwelle aus. Das Know-How der Freunde brauchte ich dort nicht, traute mir aber die Justierung der Steuerkette allein nicht zu. Wenn man das falsch macht, ist für den Motor abläuten. Schnell und häßlich. Alles sauber, alles fein. Nebenher noch die Ventile neu eingestellt, Öl gewechselt, Dämpferflüssigkeit getauscht, Bremsbeläge- und Flüssigkeit dito. Eine Generalüberholung, quasi.
Den dazugehörigen Verwaltungsakt habe ich dann, sehr albern, einfach vergessen. Hatte ich absolut nicht mehr auf dem Schirm.
Schnitt.
Ein halbes Jahr später, ein Nachmittag im August, wir päsen zu dritt friedlich durch die Landschaft. Rausgewunken. Auf der B3. Schon nicht wirklich gut. In die sichtgeschützte Bucht einfahren und sehen: Werkstattmodul, Messstation, technisches Personal. Überhaupt nicht mehr gut! Vielmehr noch viel schlechter!
Fürs weitere Verständnis wichtig: Ich wog und wiege knapp über 50 Kilo, bin 1,66 klein und zierlich.
Indem die mich da reinwinken- ich kann sowas von unauffällig schalten - lasse ich die CB-N auf low schleichen - heißt: nicht erster sondern zweiter Gang, so eben noch am Gas hängend, Vorsicht, nicht abwürgen, in die Schleife schleichen. Im Zweiten ist sie sehr leise, sehr leise. Und der Umgang mit Gas und Kupplung muß ein virtuoser sein, sonst stirbt sie ab und macht alle aufmerksam.
So schlich ich denn also nach Canossa.
"Bitte Motor ausmachen." sagt mir der Jungbulle, der neben der Maschine plötzlich auftaucht. - Bitte, sehr gern. Indem ich der Anweisung folge, habe ich auch schon den Helm in fließender Bewegung abgezogen - 'Ich bin harmlos. Ihr dürft mein Gesicht ruhig sehen.'
"Fahrzeug- und Führerschein bitte!" - Er sieht mir prüfend ins Gesicht, ich reiße die Augen auf und drehe den Kopf, damit er die Ränder sieht. "Kontaktlinsen." - "Ah, danke."
Während er schweigend den Fahrzeugschein prüft, rattert es in meinem Kopf - wenn die mich in den Prüfwagen schicken, ist die Fläppe weg. Und ich hab' ein Verfahren am Hals. ---- Pokern. Spielen.
"Stimmt der Zustand der Maschine - er sagt tatsächlich Maschine, dafür mag ich ihn beinahe - mit den Angaben im Fahrzeugschein überein?" fragt er.
"Ich gehe davon aus." sage ich und lächle ihn sonnig an. "Wie, Sie gehen davon aus??" kommt die Rückfrage. Ich lächle noch sonniger und sage: "Ach, wissen Sie, ich verstehe nicht so viel davon, aber den Freund, der mir die Motorrad verkaufte, darf ich für vertrauenswürdig halten. Und die letzte TÜV-Untersuchung sagte auch, es sei alles okay."
Er guckt und grinst, ich setze noch einen drauf: "Schrauben ist nicht so meins, wissen Sie, darum kümmern sich mein Bruder und mein Freund."
- Mein Bruder fuhr irgendwann einmal Zweiräder, verstanden hat er sie nie - dafür hatte er Leute. - Fast habe ich ihn, aber ein Rest seines Mißtrauens ist noch immer wach. "Starten Sie mal. Geben sie doch mal eben Vollgas, bitte." Oha. Er sieht nicht, daß ich schalte, er sieht nicht, daß ich die wohlvertraute Kupplung manipuliere, er sieht nicht, daß die andere Hand am Choke gespielt hatte. Mein kleiner Falke ist leise, leise, verbirgt die wahren Möglichkeiten. "Dann einen schönen Sontag noch." sagt er.
Am nächsten Tag stand ich auf dem Straßenverkehrsamt.
[Und das alles kann ich hier nur erzählen, weil die Nummer längst verjährt wäre, wollte mir heute noch jemand auf die Füße treten.]
(Das ist eine Art Antwort auf Isabo, sozusagen die andere Seite der Häßlichkeit.)