BEYOND the void
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Letzte Meldung aus Berlin: Der Frühling fällt aus.

Die Stadt explodiert. Plötzlich tobt auf allen Straßen und Plätzen das Leben, und man bekommt schockartig eine Vorstellung von der Einwohnerzahl dieser Metropole. Fasziniert schaue ich mir Menschen an und frage mich, ob die alle riesengroße Kleiderschränke haben - so schnell wie man hier Zugriff auf seine Sommerklamotten zu haben scheint (meistenteils allerdings im typischen Berliner Unstil. Naja. Ein wenig Schwund ist immer. Angenehmes Augenfutter jedenfalls ist hier die Ausnahme, nicht die Regel.) Die Vegetation benimmt sich, als wäre etwas hinter ihr her. Keine Zeit, keine Zeit! Von den ersten schüchternen Blättern der Kastanie bis zur vollen Blüte vergehen keine 10 Tage. Der Frühling dauert drei Tage, dann ist Frühsommer, quasi ansatzlos. Die Biergärten und Parks sind voll, die Grillsaison wird aus dem Stand eröffnet sobald die Außentemperatur zweistellig im Plus ist. Inklusive Wolldecke auf dem noch kalten Boden. Kriegen Berliner keine Nierenbeckenentzündungen? Der Eindruck inherenter Hektik drängt sich auf. Wie meist bewege ich mich antizyklisch. Ein Versuch mir die innere Ruhe zu bewahren und dennoch mitzunehmen, was sich bietet. Es ist schwer sich diesem tendenziell hektischen Lebensgefühl zu verweigern. Es ist schwer dieses Empfinden von überall-dabei-sein-müssen im Zaum zu halten, so deutlich wie diese Stadt das carpe diem umsetzt - was nichts anderes heißt als daß man hier so zu leben scheint als rechne man ständig damit im nächsten Augenblick tot umzufallen. Nein, hier ist das nicht positiv gemeint, hier ist nicht die Haltung des Zen angesprochen, vielmehr das gehetzte Vielleicht-wäre-es-anderswo-noch-viel-toller-Gefühl. [Ich werde mein Lebtag nicht vergessen wie tief das Gefühl der Kränkung war, als auf einer meiner Feten Gäste in der Küche per Handy die nächste Verabredung der Nacht in ausbaldoverten. Das ist für mich die im Herzen häßliche Haltung des Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob er nicht noch was bess'res findet. Man nimmt sich nicht mehr wirklich Zeit; da ist keine Geduld, keine abwartende Neugierde, keine Ruhe.] Mit Köln, in seiner wurschtigen Ichbezogenheit, der Behäbigkeit und dem Wohlfühlen im Filz verband mich eine heftige Hassliebe - wobei der Hass überwog. Nun, endlich und Bastet-sei-es-gedankt weit weg, lerne ich immerhin diese Behäbigkeit verstehen. Es ist nicht das Berliner Tempo an sich, das mich verrückt macht. Es ist der panische Unterton, den ich darin wahrnehme, der mich in den Wahnsinn treibt. Ich werde herausfinden müssen, wie man, wie dieses Kathleen-ich am Besten damit umgeht. Noch bin ich nicht so weit.

berlin  2006 · 09:42  # ·  x  | 929 x gelesen pixel