Manifest
Ich glaube daran, daß Schreiben politisch sein und wirken kann, ohne sich explizit mit Politik zu befassen. Ich glaube daran, daß es einen Sinn hat, soziale Kälte anzuprangern, die Coolness-Arschlöcher der Welt auszulachen, und Königswissen lächerlich zu machen. Ich glaube daran, daß der einzige Weg nach vorn dort beginnt, wo Menschlichkeit und Rücksicht einen Wert darstellen. Ein kleiner Stein, der im Wasser langsam große Ringe macht.
Was auch immer zu ändern sein mag, wird nur beginnen können in eines jeden Umfeld. Jeder Einzelne kann zur Veränderung beitragen. Jeder. Es ist so leicht über die mangelnde gesellschaftspolitische Relevanz des Schreibens zu lamentieren, hier und anderswo. Es ist so leicht große Reden zu schwingen und seitenlange Briefe zu schreiben an die Ausbeuter der Bauern in Nicaragua. So schön weit weg. So schön abstrakt.
Den Nachbarn freundlich grüßen, obwohl er einen ständig zuparkt, selbstverständlich das Paket annehmen, das nicht für einen selbst ist, der Nachbarin das DSL einrichten, reden, zuhören, da sein, im Kleinen beginnen - das ist langsamer, das sieht nach nichts aus, das verändert die Welt erstmal gar nicht... Meint ihr? Wenn nur einer danach handelt, dann mag das stimmen. Wenn es viele sind, wird sich etwas bewegen.
Vor dem Fenster der Regen, ein Vorhang aus Wasser. Über dem Dach krachend Frühjahrsgewitter. Arbeit auf dem Tisch, Faithless im CD-Player und nicht zum ersten Mal die Frage nach der Naivität. Vielleicht ja. Möglich allerdings, daß diese Naivität wichtig für unser Überleben ist, für das Aufeinanderzugehen, für eine Gesellschaft, die den Namen wieder verdient.