spirals
Geht's nicht so allmählich fürchterlich am Kern vorbei? Es gibt in der PR, im Marketing, in der Werbung einen Punkt, den man immer hofft nicht aus Versehen zu treffen. Einen Punkt, an dem die Mischung aus sachlicher Argumentation und persönlicher Kränkung aufkocht, und von keiner Seite mehr kontrolliert noch kontrollierbar ist. An diesem Punkt wird es belanglos wer wann wie wo argumentiert/agitiert/emotionalisiert.
Eine Kampagne, der das widerfährt, ist schlicht FUBAR (fucked up beyond all repair.) Eine Diskussion im eigentlichen Sinne kann an diesem Punkt nicht mehr stattfinden. Zu viele kochen an der Suppe mit. Rien ne va plus. Mich lehrte man damals für solche Fälle: Aus dem Ursprungsmedium abtauchen, schweigen, abtropfen lassen. Eventuell notwendige Einlassungen dort abschicken, wo der Rückkanal langsam ist, vor allem langsam. Den Druck rausnehmen. Print vielleicht. Bestenfalls. If even.
Was JvM in der Person von J.R.v.M. jetzt versucht, ist zu verstehen. Und wird nicht (mehr) fruchten. Was da draußen jetzt abläuft ist ein Lehrstück zum Thema Gruppendynamik, Teil 1, Einführung, Kapitel: unterschätzte Einflüsse.
Aus unterschiedlichsten Gründen lehne ich persönlich diese Kampagne ab. Vor allem anderen, weil sie nichts kleinerem als einem ganzen Volk zu wenig Arsch in der Hose unterstellte und obendrein mit Testimonials arbeitete, von denen eben dieses Volk genau wußte: In dieses Maß finanzieller Unbesorgtheit werde ich nie kommen können. "Die" reden nicht von meiner Welt. Abgehobene Arbeit ist der Tod des Werbers. Er wird nicht zuletzt dafür bezahlt am Puls zu sein. Das hat hier eher nicht funktioniert ... Ein größerer PR-Gau läßt sich kaum denken.
Es wäre zu wünschen, daß die PR- und Werbeagenturen ein paar Dinge begreifen:
- topdown ist toter als Lenin
- es geschieht, daß Kampagnen fehl gehen. Ruhig bleiben. In vertrauten Medien reagieren. Und sich die Frage durch den Kopf gehen lassen, ob man nicht vielleicht doch auf dem falschen Dampfer war. Und wie damit nun umzugehen sei. In aller Ruhe. Die Kritik als Positvimpuls begreifen. Kritikfähig bleiben. Selbst Shell hat das geschafft. Zugegeben vor der Zeit einer vitalen 'Blogosphäre'.
- koppelt sich der Werber in Fühlen und Denken von seiner Zielgruppe ab, fühlt er sich diffus 'überlegen' , ist eine Auszeit angebracht.
Die Menschen da draußen sind nicht nur Stimmvieh. Viele von ihnen können denken. Und tun das auch. Damit ist zu rechnen. Wenn man klug ist, im positiven Sinne. Daran vorbei zu arbeiten ist gefährlich. Und unklug.
kathleen, Marketingbetriebswirtin a. D.