tabula rasa
Und warten. Auf die richtige Idee.
Und ich rauche so vor mich hin freunde schaue dem lichtgrauen qualm nach wenig habe ich zu sagen weil ich zuviel zu sagen hätte reicht es zu schweigen nicht auf anderen schultern auf meinen liegt dies und liegt da nicht gut aber immerhin am rechten ort schweigen wünschte ich und stille wo schon ruhe nicht ist kein grund zur sorge gebt raum nichts weiter
soundsoviel grad west ein paar bogenminuten hier eine bogensekunde dort mein bezugssystem hat gerade keine lust mehr darin ist es mir gleich
das passiert das kommt vor geht schon
irgendwann wieder
ihr denkt zuviel
trotzdem
dank
Malen nach Zahlen
Die Nacht ist still. Von Zeit zu Zeit das hohe Sirren einer Zwiebacksäge, ab und an sonores Nageln - der Dieselmotor eines Taxis. Vor dem Kiosk stehen noch ein paar Leute, eine leise Unterhaltung segelt durch die Nacht wie auf Schwingen. Ein abrupt heruntergelassener Rolladen knallt wie ein Schuss in die Ruhe. Kurz und laut und - schon vorbei. Weit entfernt ein Krankenwagen, das Martinshorn eher zu spüren denn zu hören. Ein kurzer Gedanke an das arme Schwein, das da zu leiden hat. Hoffentlich reicht's noch. Die Brise fühlt sich an wie eine Ahnung von Wasser. Seide. Streicheln. Ein kleiner Trupp Jugendlicher auf dem Weg nach Hause. Das deutliche Klatsch-Schlupp-Klatsch-Schlupp von drei Paar Flipflops, asynchron, leise Stimmen, Gelächter.
In solchen Nächten ist es leicht die ganze Welt zu lieben. Und jeden der darinnen ist. Man müßte das auf Flaschen ziehen können. Für den Winter. Oder für die Nachwelt.
Sehnsucht
Das Geräusch der schweren Maschine fällt aus der feucht-heißen Sommernacht wie ein Gegenstand. Blubbernd klatscht es auf den Asphalt und macht Lust auf Nachtfahrten über Land. Mit offenem Visier und nicht zu schnell. Läßt denken an andere Sommernächte, in denen die Luft nach Seewasser roch, nach schweren reifen Getreidefeldern, Mahtwiesen; in denen man mitunter eintauchte in die plötzliche Kühle kleiner Waldgebiete, mit ihrem schweren Duft nach Erde und Grün. Schlafende Dörfer, deren Häuserwände dunkel die Tageswärme abwarfen, gefühlt wie eine Hand auf den wenigen Hautflächen, die nicht von Leder und Goretex bedeckt waren. Das Leder abwerfen an irgendeinem See. Nightswimmin'. Die Schutzhaut atmet den eigenen Geruch ab und wehrt der nassen Haut den Wiedereinstieg. Der Horizont ahnte schon den neuen Morgen, man fiel in die frischgewaschenen Laken, die Haare noch nicht trocken. Einen eiskalten Chardonnay auf der Bettkante. Und schauen, was die Nacht noch brachte. Sommer.
Sechs Menschen
Eine Standardsituation, mit den Jahren zur Freundschaft gereift. Die qua Ausgangslage mitgelieferten Sumpfgebiete gibt es noch, doch trocknen wir sie allmählich mit vereinten Kräften aus. Apropos vereint: Was uns einander sehr viel näher brachte, über die Jahre, war die Tatsache im selben Boot zu sitzen, das da hieß 'verheiratet sein'.
Ich kenne dich nur bis auf die Haut. Und habe sehr um dich gelitten und gekämpft. Wir haben gewonnen. Bis heute denke ich alle paar Tage an dich. Und habe nicht die leiseste Ahnung, wie du heißt. Mit dir verschwand mein bester Ledergürtel auf nimmerwiedersehen. Ich hoffe, es geht dir gut.
Mit dir und an dir bin ich gewachsen. Unsere Zeit war viel zu kurz. Kein Tag ohne dich. Und ohne die Dankbarkeit, und die Trauer für so vieles noch zu jung und damit zu dumm gewesen zu sein.
Von dir weiß ich rein gar nichts als daß ich dich wahrscheinlich hätte lieben können. Deine Unmittelbarkeit verwandelte mein Leben für acht Minuten in einen Tanz, den ich nie vergessen werde.
Du bist meine Imago und wirst es immer bleiben. Und ich nehme dir übel, daß ich dafür auf Informationssätze in der Datenbank zurückgreifen muß, die mindestens 15 Jahre alt sind. Du hast so vieles aufgegeben und verrätst deinen inneren Kern fünfmal täglich. Ich darf nichts sagen - über die Gründe redest du nie. Etwas aber gibt es, das ich wiedererkenne: Deine Flucht in die Maschinenwelt, die Liebe zur Mathematik, das Kreisen um logische Probleme. Es verrät mir mehr, als du mich wissen lassen möchtest. Weil ich das sehe, weil ich das kenne, schweige ich. Und werde mich sicherlich irgendwann dafür verfluchen. Weil hier schon viel zu lange geschwiegen wird.
Du warst unfassbar sicher, ich sei die Falsche. Und hast die ersten Meter des Weges mit Steinen, Stacheldraht und Tretmienen versehen. Mir hat das Schmerzen bereitet, nicht wenige. Der, um den es uns beiden geht und ging, hat von dieser Einschätzung ebenso wenig profitiert wie du und ich. Heute lobst du mich. Weil du mich magst und verstanden hast? Oder weil ich dir eine Verantwortung abgenommen habe, die oft genug anstrengend und unglücklich war/ist?
Letzte Meldung aus Berlin: Der Frühling fällt aus.
Die Stadt explodiert. Plötzlich tobt auf allen Straßen und Plätzen das Leben, und man bekommt schockartig eine Vorstellung von der Einwohnerzahl dieser Metropole. Fasziniert schaue ich mir Menschen an und frage mich, ob die alle riesengroße Kleiderschränke haben - so schnell wie man hier Zugriff auf seine Sommerklamotten zu haben scheint (meistenteils allerdings im typischen Berliner Unstil. Naja. Ein wenig Schwund ist immer. Angenehmes Augenfutter jedenfalls ist hier die Ausnahme, nicht die Regel.) Die Vegetation benimmt sich, als wäre etwas hinter ihr her. Keine Zeit, keine Zeit! Von den ersten schüchternen Blättern der Kastanie bis zur vollen Blüte vergehen keine 10 Tage. Der Frühling dauert drei Tage, dann ist Frühsommer, quasi ansatzlos. Die Biergärten und Parks sind voll, die Grillsaison wird aus dem Stand eröffnet sobald die Außentemperatur zweistellig im Plus ist. Inklusive Wolldecke auf dem noch kalten Boden. Kriegen Berliner keine Nierenbeckenentzündungen? Der Eindruck inherenter Hektik drängt sich auf. Wie meist bewege ich mich antizyklisch. Ein Versuch mir die innere Ruhe zu bewahren und dennoch mitzunehmen, was sich bietet. Es ist schwer sich diesem tendenziell hektischen Lebensgefühl zu verweigern. Es ist schwer dieses Empfinden von überall-dabei-sein-müssen im Zaum zu halten, so deutlich wie diese Stadt das carpe diem umsetzt - was nichts anderes heißt als daß man hier so zu leben scheint als rechne man ständig damit im nächsten Augenblick tot umzufallen. Nein, hier ist das nicht positiv gemeint, hier ist nicht die Haltung des Zen angesprochen, vielmehr das gehetzte Vielleicht-wäre-es-anderswo-noch-viel-toller-Gefühl. [Ich werde mein Lebtag nicht vergessen wie tief das Gefühl der Kränkung war, als auf einer meiner Feten Gäste in der Küche per Handy die nächste Verabredung der Nacht in ausbaldoverten. Das ist für mich die im Herzen häßliche Haltung des Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob er nicht noch was bess'res findet. Man nimmt sich nicht mehr wirklich Zeit; da ist keine Geduld, keine abwartende Neugierde, keine Ruhe.] Mit Köln, in seiner wurschtigen Ichbezogenheit, der Behäbigkeit und dem Wohlfühlen im Filz verband mich eine heftige Hassliebe - wobei der Hass überwog. Nun, endlich und Bastet-sei-es-gedankt weit weg, lerne ich immerhin diese Behäbigkeit verstehen. Es ist nicht das Berliner Tempo an sich, das mich verrückt macht. Es ist der panische Unterton, den ich darin wahrnehme, der mich in den Wahnsinn treibt. Ich werde herausfinden müssen, wie man, wie dieses Kathleen-ich am Besten damit umgeht. Noch bin ich nicht so weit.
african ocean I
Tausend Tage und Nächte auf See das Land kommt nie zurück.
Drei Tage zuvor hatte mir der indische Ozean - im Verein mit meiner Langsamkeit - drei Rippen angebrochen. Eine andere Geschichte ... Das Atmen war schmerzhaft an diesem Tag, das Meer zu verlockend, die Gluthitze eine Wesenheit, die unweigerlich zum Wasser trieb. Pfeif' auf die Rippen, schwimmen, sich schaukeln, sich tragen lassen. Schöner als Sex.
Am Flutsaum in der sprudelnden Brandung stand ich auf, auf dem Weg zu Handtuch, Ananas, Zigarette. Er stürmte auf mich zu, blieb sandstiebend vor mir stehen, wild gestikulierend, Kiswahili auf mich einsprudelnd, sehr aufgeregt. Da ich offenkundig nichts begriff, überschritt er eine Grenze, fasste mich an, deutlich und schnell, und schleuderte etwas unerkennbares in den Sand. Endlich hörte ich aus dem Schwall von Sprache ein Wort heraus: bluebottle. Dieses Wort kannte ich. Eine Quallenart. Der zu begegnen nicht ratsam ist. Was er mir von Brust und Schultern gerissen hatte, war ein einzelner Nesselfaden gewesen. Häßliche Schwellungen, Fieber und Schmerzen sind das Mindeste, ein anaphylaktischer Schock das Heftigste, was einem passieren kann. Ich stand ratlos auf dem Sand - was nun? Und wieder handelte er: Hastig hatte er einige Blätter eines an der Düne wachsenden Sukkulenten abgerissen, kam damit auf mich zu, hielt sie mir hin. Und wieder begriff ich rein gar nichts. Er brach die Blätter auf, bestrich den deutlichen roten Streifen, der sich bereits auf meiner Haut abzeichnete, mit der Bruchfläche dieser Blätter. Die Schmerzen vergingen, die Rötung verlor sich. Da war er längst davongegangen. Hatte mich verwirrt und dumm auf dem Strand stehen lassen. Die weißhäutigen anderen auf dem Strand hatten ihn ohnehin schon zu lange böse angestarrt.
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