BEYOND the void
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Retro

Sehr unglücklich heute. Von langer Hand liebevoll Geplantes droht übel in Rauch aufzugehen - und es gibt wenig, was ich daran ändern könnte. Merkwürdig, was einem da so an Gedanken in den Kopf kommt. Der gemeinsame Nenner, so scheint es, ist die hilflose Frustration. Eine Geschichte:

Nein, wirklich, glücklich war ich nicht in dieser Gegend. Auch von sozialer Integration konnte keine Rede sein. Ich war die Rei'g'schmeckte, die, die nicht hierher gehörte. Die, die anders sprach, anders dachte. Die breitbeinig-bäurische Großsprecherei der Jungens hier ging mir, der Städterin, nur auf die Nerven. Durchschaubare heiße Luft. Ich war zu jung um diese Empfindung verbergen zu können. Und so mochten sie mich nicht - ihr Begehren aber hing in der Luft wie Rauch. Einsam war ich. Und voller Wut. Wut über diese winzigen halbblinden Horizonte. Keiner, der mit mir hätte sein können - it gives me a headache to feel down to your level. Nein, wirklich, das ging nicht. Ich konnte nicht auf diese Ebene, um keinen Preis! Dann tauchte M. in diesem Kreis auf. Von ihnen kaum mehr als geduldet. Ein stiller, hübscher Junge. Hier geboren und aufgewachsen. Und doch ähnlich ausgeschlossen und gemieden wie ich selbst. Wir fanden uns ganz selbstverständlich. Zärteleien, lange Gespräche, gegenseitiges Asyl in dieser groben Feindschaft um uns herum. Lange ging das so. Nächtliche Fahrten an den Lieblingsbaggersee - night swimmin'. Sanft. Schön. Vorsichtig. Schüchtern. Heiß. Wir ließen uns Zeit. Kleine Berührungen. Ansteigende Hitze. Schüchternheit und Glut. Respekt und Nähe. Mit ihm zu sein hatte keine Schatten. Wir lernten einander zu verstehen - und unter alldem immer die verhaltene Lust, der Wunsch nach mehr. Ruhe, Ruhe! Langsam, vorsichtig! Nur nichts kaputtmachen. Die anderen beobachten das voller Neid. Der uns Vergnügen machte. Und ein wenig Angst. Dann im zweiten Sommer die Eltern im Urlaub, die Geschwister auf irgendwelchen 'Freizeiten', ein Raum, eine Wohnung für uns allein. Eigentlich hatte er mich zum Schwimmen abholen wollen... Die Rolladen heruntergelassen, durch die Ritzen strahlte eine grelle Sommersonne und machte den Raum warm und besonders. Eine Lichthöhle, überhitzt und doch dämmrig. Ich wollte noch gerade den Bikini ... er stand in der Tür. Der Bikini vergessen, wir fielen wie die Verrückten übereinander her. Daß ich die Pille nahm wußte er seit langem, keine Sorge hier. Sonnenstreifen, Hitze im Raum, jede Berührung richtig. Abheben, hoch fliegen, der Genuß war unglaublich. Alles stimmte. Und dann diese Frage, diese tödliche Frage "Darf ich mich in dich ergießen?" Von jetzt auf gleich alles auf STOP. Nur mehr ein stilles Nicken und ein sich-ergeben. Er hatte ja nur freundlich sein wollen... Der Flieger zerschellte, von ihm unbemerkt, auf grauem Beton. Wir haben einander nicht wiedergesehen, meine Ausreden am Telefon füllen Bücher.

to the core  2005 · 02:38  # ·  x  | 924 x gelesen pixel