BEYOND the void
14/
07

Mexico

Nachdenken über die Tiefe von Kindheitserinnerungen, vielmehr noch über die Spätfolgen, über das Sedimentieren aller nur erdenklichen Stoffe an die Ufer der Erinnerung. Meine Mutter ist ein in der Seele schüchterner Mensch. Nicht die Art von Schüchterheit, die vor dem eigenen Schatten Angst hat und nicht mit Fremden sprechen mag, sondern jene Sorte, die den Inhaber zu allseits vornehmer Zurückhaltung verdonnert. Selbst wenn er eigentlich schreien, toben und schimpfen sollte. Spontane Aktionen sind und waren dementsprechend ihre Sache nicht. Auf dieses Stück aber habe ich sie durch unser großes helles Wohnzimmer schwofen sehen, irgendwas in der Hand, das sie eigentlich in die Küche hatte bringen wollen. Spontan übermannt von der Fröhlichkeit und dem Tempo in dieser Musik aus dem Radio, ließ sie sich nichtmal von meinem Auftauchen stören.

Heute stolperte ich in unserem Soundbits-Ordner - ein Ding voller Kurzschnipsel, weil dann Gema-frei, die wir zum Beispiel als Loops in Flashseiten einsetzen - über ein Fragment aus eben diesem Song. Schnell aus den Tiefen der Musiksammlungen die Komplettfassung ausgegraben, heute ungefähr hundertmal gespielt. Und ich habe meine Mutter vor Augen, und ich sehe mich sie anschauen und ich denke, ich muß damals - weil ich mich so gut an sehr komplexe Empfindungen erinnere, als ich meine Ma so tanzen sah - mindestens fünfzehn gewesen sein. Denkste. In der Zeit, in der die Gruppe bei Ilja Richter in der 'Disco' auftrat, war ich nicht älter als zehn. Inzwischen liegen auch noch andere Bilderschichten auf dieser Musik. Und doch ist die erste die stärkste, deutlichste. Und die Songs kann ich an einer Hand abzählen, die mir so heftig und mitten in der größten Scheiße ein Grinsen auf Gesicht hexen und mich innerlich ganz hell machen. Und ich tanze durch mein dunkles kleines Wohnzimmer und habe Spaß für zehn.

to the core  2005 · 02:46  # ·  x  | 702 x gelesen pixel