happiness is no warm gun
Der mit Abstand beste Teil im menschlichen Gehirn: Das limbische System. Die Art, in der sich Gerüche am Zensor im Großhirn vorbeischleichen, ist großartig.
Plötzliche, überfallartige Glücksgefühle, scheinbar aus dem Nichts, grundlos. Dann aber die Frage: Wonach riecht das hier??
Heute gleich drei aus den persönlichen Top-Ten der Gerüche in Folge:
Regen, der auf die staubwarme Straße fällt, die ersten zehn Minuten. Für mich ein orangefarbener Geruch, warm, laut, wild und doch irgendwie ... zärtlich.
Später dann: Nasse Erde und der Geruch feuchter Bäume. Ganz bestimmter Bäume: Pappeln. Könnte man aus diesem Geruch ein Parfum für Männer machen und viele Männer trügen es - ich könnte für nichts mehr garantieren.
Noch später: Einen guten trockenen Weißwein mit nicht zuviel Körper mit frischem Waldmeister aromatisieren. Das weinfeuchte Büschel Kräuter in der Küche hängen lassen. Ein Duft, der glücklich macht. Einfach so.
Was für ein Tag - ich laufe 'rum wie eine von Baldrian bedröhnte Katze - Katzenbesitzer wissen, was ich meine...
sheltered
Eine zierliche Gestalt, ruhig eine Selbstgedrehte rauchend, die Lieblingskommode als Stütze im Rücken, alle im Haus schlafend wissend. Leise Musik aus der Anlage, eine silberne Bahn des Mondlichts quer durch den Raum. Schon damals diese Zeitenthobenheit. Die gestohlene Ruhe in all dem Gequirl. Die geheime Identität, die niemand kannte noch kennen sollte außer mir selbst. Die Traurigkeit um einer Million Dinge willen, über die ich nicht sprach. Die Freude um einiger Dinge willen, über die ich ebenfalls nicht sprach. Bis heute diese Nächte, in denen ich mich ins Wohnzimmer schleiche. Kein Licht. Leise Musik, Zigarette, und dieses Gefühl aus alten Zeiten. Mein Raum. Meine Zeit. Stört man mich, werde ich kratzbürstig. Heute wie damals. Der kleine harte dunkle Kern des sonst so im Sozialen aufgehenden ICH. Unverzichtbar. Nach wie vor. Gut so.
Wenn Fliegen hinter Fliegen fliegen..
Über Fliegerphotos gestolpert. Rhönlerche, Antonov... Die Erinnerung schickt zuerst Gerüche - Holz, unbehandelt, schon lange trocken: Die Hütten, in denen wir in unseren Stockbetten schliefen. Direkt dran: Der Geruch der Lampen. Wer kennt das noch, den Geruch von Lampen, die mit Glühstrümpfen betrieben werden? Man riecht Petroleum, aber nicht so laut, nicht so giftig wie bei einer Dochtleuchte. Man riecht die verbrannte Luft in der Umgebung der Lampe. Irgendwie ... trocken.
Dann kommen die Bilder, die Geschichten... Ich war nur dort, weil ich einen Freund begleitete, der einen Segelkurs gebucht hatte. Vormals selber (Motor-)Flieger, fehlte mir dafür im Studium das Geld. Doch Spaß hatte ich mehr als genug: Kleine Segelflugzeuge wie die Rhönlerche werden über eine Winde gestartet. Am Ende des Platzes steht eine mörderische Maschine inklusive dickem Dieselmotor, der eine Seilrolle antreibt, schnell, verdammt schnell. Auf dieser Seilrolle ist ein mittelprächtig starkes Stahlseil aufgewickelt. Die Endschlaufe dieses Seils wird mit nicht mehr TÜV-tauglichen Autos zum Flugzeug gefahren, und an diesem eingeklinkt. Diese irren Kisten hab' ich damals eine Woche lang über die Wiese gejagt, mir regelmäßig Zigarren eingefangen, weil ich auf dem Hinweg - d.h. ohne Seil - fuhr als gäbe es kein morgen. Dabei konnte es einem ohne Weiteres passieren, daß man plötzlich den Schaltknüppel in der Hand hatte oder lernte, was 'Zartgefühl' für eine Uraltkupplung wirklich bedeutet. Falls nicht, konnte man sehr schnell und häßlich lernen, was ein milderes Schleudertrauma mit der eigenen Halswirbelsäule anzustellen vermochte...
Wenn das Seil am Flugzeug ist, macht man sich als 'Seilfahrer' beschleunigt vom Acker und aus dem Weg. Auf das 'go' hin holt die Seilwinde das Seil mit Affenzahn ein und katapultiert die Flugmaschine in den Himmel. Das Ausklinken liegt in der Verantwortung des Piloten. Man lernt schnell den richtigen Zeitpunkt zu erkennen. Und der Rest ist Thermik. Lernt man das nicht, ist der Flieger Schrott und man selbst um eine Menge Ärger reicher. Tödlich endet dies selten. Aber das ist eine andere Geschichte...
In der Geschichte eines jeden Fliegers gibt es die Story von der langgezogenen Abfahrtsschleife/-kurve. Vermutlich in allen Sprachen und in allen Ländern. Dies ist eine Flugfigur, die eher harmlos anfängt - die Maschine in einer Linie mit dem künstlichen Horizont. Wenn Thermik und Flughöhe es zulassen, legst du die Kiste, Grad für Grad, in eine Position, in der beide Tragflächen in einer Linie liegen --- in der Senkrechten. Dann holst du sie langsam zurück. Langsam und vorsichtig. Die Figur, die du dabei beschreibst, kommt im Idealfall einem übergroßen sehr schmalen 'O' sehr nahe. Und die Kräfte, die dabei auf dich und deinen armen Magen wirken, sind, die Maßeinheit g betreffend, nicht von schlechten Eltern...
Von alldem ahnte ich nichts, als mir Andreas, einer der Fluglehrer, am Abend sagte:"Wenn du willst, schenke ich dir morgen einen Freiflug. Wenn du mitwillst, sei um neun vor der Hütte." Natürlich war ich da. Mir schwante Unbill, als Andreas sagte:"Geh' du nach vorn, steuern kann ich auch von hinten." - Nundenn. Feige war ich nie. Die erahnte Unbill erhielt deutlich Gestalt, als ich ihn sagen hörte - wir waren schon in der Luft - 'Ich möchte dich schreien hören - schaun' wir 'mal.' Und er zog die Kiste in die oben erwähnte lang gezogene Abfahrtkurve. Ich, vorn, hatte lang genug zu tun mit meinem armen Innenohr, von meinem Magen ganz zu schweigen, und war innig dankbar für meine Intuition, die mich zum Frühstück nur einen schwarzen Tee hatte trinken lassen. Er zog die Kurve bis zur Grenze des Erlaubten und Vernünftigen. Von mir kam kein einziger Ton, kein Laut.
Nach der Landung schlug er mir auf die Schulter, daß es mich zehn Zentimeter in die Wiese schlug:"Teufel auch! Das ist eine Frau nach meinem Herzen! Die heftigste, die ich bisher flog, und du machst das mit, als wäre gar nichts. Hochachtung!"
Was er nie erfuhr: Mir war nie in meinem Leben mehr nach Schreien, Kreischen, Schlagen, vielleicht sogar nach um-mein-Leben-bitten gewesen. Nur: Kämpfend mit einem unbotmäßigen Magen und meinem Bedürfnis nach Würde, hatte ich für all das schlicht keinen Atem, keine Luft.
Er hält mich bis heute für ein Teufelsweib.
too much
nichts mehr nun ich bin es müde lasst mich schon okay
nur lasst mich endlich einmal sein bleibt mir weg das ist nicht meine Aufgabe nicht mein problem
hört ihr zu? sinnlose frage. lasst mich ihr hindert mich.
nein. ich habe keine zaubersalbe in der tasche
nichtmal für mich.
Endlich Schluß
Am Anfang war ein Heiratsantrag und ein voreiliges Ja. Es änderte alles. Aus der gleichwertigen Partnerin wurde über Nacht ein Besitzgut. Folgerichtig wurde die Besitzstandswahrung zur Notwendigkeit. Eifersucht, Aggressionen, und am Schlimmsten: Herablassung, Über-den-Mund-fahren in Gegenwart anderer, Definitionsmacht, absoluter Mangel an Respekt. Die Hoffnung auf Änderung war ebenso vergeblich wie die monatelange Gegenwehr. Erklärungen, Widerstand, Wut. Am Ende stand die geplante Hochzeit, die angetretene Reise, die übersetzten Papiere. Die Hochzeit sagte ich drei Tage vor Termin beim dortigen Standesamt ab. Verließ ihn stehenden Fußes, Knall auf Fall sechs Tage nach der Rückkehr aus jener fremden Stadt, mit Sack und Pack innerhalb von 24 Stunden. Ein mutiger Start ins Beinahe-nichts. Kein Geld, keine Wohnung, kein Job.
Warum mir das jetzt einfällt, nach all den Jahren? - Es gab noch Verträge zwischen uns, Verbindlichkeiten. Das ist nun vorbei. Das letzte - längst unerträgliche - Band zerschnitten. Die Entlastung ist kaum zu benennen. Atmen. Tief.
Jetzt. Und immer noch hier.
Merkwürdig. Diese Zeitreisen in Gegenden, in denen* man ewig nicht mehr war. Nichts ist geeigneter zu verdeutlichen, wie sehr man an seinem bißchen Leben hängt, wie sehr man es liebt. Und nichts ist geeigneter einem die eigene Endlichkeit bewußt zu machen.
Und doch ist es schön.
Unweigerlich hat man Freddy Frinton im Ohr:"Yooounger than ever."
[*Auslöser: Ein Abba-Special im ZDF]
Aus dem Leben eines Taugenichts
Nachteule, die ich bin, war mir der SWR - dem Kabelbetreiber sei Dank - lange Zeit nächtliche Lebensader. Diverse Anrufe dort zu Unzeiten (zwischen zwei und fünf Uhr in der Nacht) um 'mal gerade einen Musiktitel zu erfragen, ergaben zweierlei:
- direkter Kontakt statt Warteschleife, viel Freundlichkeit, es menschelte wohltuend
- eine Anfrage des SWR an mich, ob ich mich wohl in die Liste der nächtlich Anzurufenden einreihen möge (Dort läuft viel an Gesprächen mit Hörern, von der Beteiligung lebt das Feeling des Senders, unter anderem.)
Ich stimmte dem gerne zu, und so manchem mag meine Telefonstimme schon bekannt sein. Immerhin hatte ich nächtliche Gespräche mit diesem oder jenem Redakteur über etwa 4 Monate, so alle zwei bis drei Wochen. Normalerweise ging den Gesprächen auf Sendung ein fragender Anruf am Vortage voraus, aber nicht immer. Manchmal hatte ich die auch spontan in der Leitung und war immer wieder glücklich über meine Blubberfähigkeiten - den Schweißausbruch und das Herzrasen merkt man im Radio Gott sei Dank nicht.
Eine gedeihliche Zusammenarbeit bis zu jener Nacht, in der das Handy klingelte in dem Augenblick, in dem ich gerade tropfnass aus der Dusche kam, und verrückterweise direkt auf Sendung war - ungewarnt, warum auch immer - und zudem nicht zu Hause, sondern in Knallhitze auf einer spanischen Insel saß. Besonders schick auch, daß ich den Kopf voller Bilder von dem hatte, was der Nachtdusche vorausgegangen war... Was geh' ich auch dran, ich Trottel!
Schade, daß ich diesen Beitrag nicht habe mitschneiden können. Ich war wundervoll wirr und hochgradig zerfahren. Für Lacher immerhin habe ich sicherlich gesorgt.
Anschließend bat ich den SWR nächtliche Anrufe bis auf Weiteres auf Eis zu legen...
Erinnerung an eine Frühlingsnacht
Besonders glücklich ist es üblicherweise nicht, wenn man von Sturmklingeln aus dem Schlaf gerissen wird. Um fünf Uhr morgens. Der Herzschlag bis zum Hals - Wer ist verunglückt? Damals war es anders. Er läutete mich aus dem Bett um mir nicht weniger mitzuteilen als eben dies: "Das Labor hat eben angerufen. - Wann fangen die eigentlich an? - Mit mir ist alles okay, der zweite war negativ. Das wollte ich unbedingt mit dir teilen. Und da tut's kein Telefon."
Lange hatte er gezittert. Ein HIV-Test war auf häßliche Art auffällig, uneindeutig. Sechs Monate beben bis zum zweiten Ansatz.
Wir weinten, wir kreischten, wir tranken zwei Flaschen Wein, und er schlief ein in meinem Arm.
Zur Klausur um elf bin ich erst gar nicht angetreten. Gut so.
Daran muß ich heute denken, in einer noch sehr kalten Frühlingsnacht, die unbändig nach Neubeginn und feuchter Erde riecht.