nocturnal rant XX
Ihr von allen guten Geistern verlassenen Nichtskönner! Um nur einmal drei Dinge exemplarisch herauszugreifen: Ihr sorgt dafür, daß dieses Land in Sachen Genforschung zurückfällt und unsere besten Köpfe auf dem Gebiet in die USA verschwinden, Ihr tretet der gesamten IT in den Magen und schafft mindestens die Grundlagen dafür, daß viele Menschen mit ihrer Arbeit ständig mit einem Bein im Gefängnis stehen, und nun geht ihr her und macht das ohnehin schlechte Urheberrechtsgesetz noch schlechter. Wenn ihr euch dazu durchringen könntet einfach gar nichts mehr zu tun, wäre sogar das noch besser. Wofür habt ihr eigentlich Beraterstäbe? Um sich das alles anzuhören und dann genau das Gegenteil zu tun? So sieht's nämlich aus, von hier draußen aus betrachtet, liebe Freunde! Es ist so zum Kotzen, was eure verdammte Inkompetenz und eure Ignoranz in diesem Lande anrichten, man sollte euch alle zwingen eure Diäten der letzten Jahre gemeinnützigen Organisationen zu übergeben. Nie vorher habe ich erleben müssen, daß eine gewählte Regierung sich derartig dumm und rücksichtslos nicht nur über den gesunden Menschenverstand, sondern auch über den Willen des Souveräns hinwegsetzte. Die wirtschaftlichen wie sozialen Spätschäden, die eurer Unverstand zur Folge haben wird, sind heute noch gar nicht abzusehen.
Das ist nicht mehr mein Land. Ich lebe nur noch hier.
nocturnal rant XVIIII: Der Staat und der Tod
Das diffuse Empfinden, daß die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe (vulgo: Hartz IV) ein Unrecht sei, war bereits bei deren Einführung weit verbreitet. Nun ist der Beweis dafür angetreten worden, auf denkbar zynische Weise: In Speyer ist ein Arbeitsloser verhungert, weil er zudem das Pech hatte schwer depressiv zu sein. Mehr darüber hier und hier.
Nein, erzähle mir niemand etwas von 'Verkettung unglücklicher Umstände'. Dieser Staat hat offensichtlich genug Personal um jeden ALG II-Empfänger aufs Schärfste zu prüfen, aber der Staatspflicht sich um die Bürger, namentlich die Schwachen zu kümmern, kommt dieser Staat schon lange nicht mehr nach. Das alles dann vor dem Hintergrund der höchsten Steuereinnahmen seit Jahren ... Mir ist so kotzschlecht. Und dabei fühle ich mich so jämmerlich hilflos. Verraten. Verarscht. Wie lange muß es noch dauern, bis ... ja bis ...
nocturnal rant XVIII: Äpfel und Birnen
Wo kann man morgens um drei die verzweifelte Frage stellen, wie mit einer Heizung umzugehen sei, die wie verrückt Wasser verliert - und Antwort bekommen?
Wo findet man in so ziemlich jeder größeren Stadt allein auf Anfrage einen Übernachtungsplatz bei einem Menschen, den man noch nie gesehen hat, der einen noch nie gesehen hat?
Wo kann man sich wie Bolle darüber freuen auf ein selbstverfaßtes Gedicht positive Resonanz zu bekommen, bzw. überhaupt Resonanz?
Wo erlebt man, daß zwischen den eigenen Zeilen eine leichte Depression aufscheint, und bekommt Trost, Zuwendung, Anrufe?
Wo kann man sich um die eigene politische Meinungsbildung kümmern, weil man Hunderte von Texten zum Thema findet, die sich der persönlichen Meinung nicht verwehren müssen und etwas anderes sind als der immergleiche neutrale Test der DPA?
Wo findet man eine Netzwerk- und Vernetzungsmentalität jenseits der überkommerzialisierten Pfade?
Diese Liste ist - wie es sich für ein Blog gehört - sehr persönlich gefärbt. Und ließe sich dennoch endlos fortschreiben.
Die Antwort ist einfach: In den Blogs.
Mit großem Befremden nehme Texte wie diesen zur Kenntnis. Vor drei oder vier Jahren hätte ich mich weniger gewundert - aber heute?
Es drängt sich der Verdacht auf, daß hier primär ein dialektisches Problem besteht. Menschen, die Texte wie den erwähnten verfassen, bewegen sich schlicht im falschen Paradigma. Selbstredend bewegt sich der journalistische Text in einem anderen als der Text eines Bloggers - jedenfalls in neun von zehn Fällen.
In letzterem ist der persönliche Blickwinkel gewollt, in ersterem muß er als unsauber gelten - der Informationspflicht sollte so neutral wie möglich Genüge getan werden.
Diesem Anspruch muß der Blogger nicht genügen. Der zentrale Punkt ist aber: Dies ist für die meisten von uns weder Anspruch noch Ziel. Schert man uns also über den journalistischen Kamm, kann man sich nur auf die Schnauze legen.
In einem Satz: Der Journalist hat eine Informationspflicht, persönliche Meinung muß als Kommentar deutlich erkennbar sein; der Blogger setzt vor allem anderen auf die ganz und gar persönliche Stellungnahme.
Ein weiteres Distinktionsmerkmal für (mindestens) zwei verschiedene Paradigmen:
Das Wesen des Schreibens in Blogs ist die Interaktion. Ein Blog, das zwar von Hundertschaften gelesen, aber nie mit Kommentaren bedacht wird, ist im eigentlichen Sinne ein totes Blog. Den Journalisten dagegen kratzt es eher nicht, ob sein Artikel mit Leserbriefen bedacht wird (überhaupt: Leserbriefe! Was für ein indirektes, langsames Medium ist das denn? Und dann selbst in der Onlinewelt diverser Printpublikatioen durch ein halbes Dutzend Moderationstools gefiltert zu werden, und anschließend zu erleben - Ausnahmen bestätigen die Regel - daß zwar Mitleser reagieren, der Redakteur aber nicht - Der Kandidat hat Null Gummipunkte und darf sich wieder setzen.)
Ein Phänomen wie Arianna Huffington, liebe Freunde von den sogenannten alten Medien, ist meiner Meinung nach deshalb in Deutschland nicht möglich, weil in diesem Lande noch niemand ernsthaft ins Auge gefaßt hat, daß
- für den journalistischen Text ein anderes Paradigma Geltung besitzt als für den Blogeintrag
- diese Distinktion ein Gewinn sein könnte - für beide Seiten.
Wo wir gerade dabei sind: Von welcher Art von 'Relevanz' ist in dieser Diskussion eigentlich die Rede? Wer definiert bitte Relevanz? Hier wird mit dem Begriff hantiert, als wäre er die Jahrhundertwaffe gegen jegliche Verwirrung bzw. gegen die bittere Notwendigkeit selbst zu denken ...
Dabei ist schon der Begriff der Relevanz reichlich schwammig und konturlos:
"Die Bedeutsamkeit (Relevanz, Wichtigkeit) ist ein Maß dafür, wie stark eine Sache die Realität beeinflusst oder wie gut eine Information oder eine Theorie Wissen über die Realität vermittelt (zunächst unabhängig davon, ob dieses Wissen wahr ist). Sie ist ein wichtiges Kriterium für die Informationsqualität.Quelle: Wikipedia
Die Bedeutsamkeit hängt stets stark vom Kontext ihrer Interpretation ab. Sie steht für das Gewicht des Objektes gegenüber anderen Objekten in einem definierten Kontext: je höher das Gewicht um so mehr muß man diesem Objekt Beachtung schenken, desto größer wären die Auswirkungen, wenn man dieses Objekt verändert. Was in einem Kontext relevant ist, kann in einem anderen also unwichtig sein.
In Hinblick auf Informationen bzw. Daten bezieht sich die Bedeutsamkeit immer auf die semantische Bedeutung (den Sinn), ist aber von dieser verschieden: die Bedeutsamkeit ist immer eine Quantifizierung, also ein einzelner Wert, der allerdings kaum objektiv meßbar ist.
Die Bemessung der Wichtigkeit eines Objektes erfolgt durch ein Subjekt und kann je nach Kontext auf einer objektiven oder einer subjektiven Methode beruhen: Eine objektive Methode liegt immer dann vor, wenn die zu bewertenden Parameter, deren Wertebereiche und Grenzwerte sich vollständig und eindeutig beschreiben lassen. Ist dies nicht möglich, so wird die Bewertung mehr oder weniger intuitiv, bzw. basierend auf Weltwissen, Lebenserfahrung und persönlichen Beziehungen und Neigungen durchgeführt, was eine subjektive Methode der Bemessung ist."
So lange wie die sogenannten etablierten Medien den paradigmatischen Unterschied zwischen Blogs und journalistischen Texten nicht zur Kenntnis nehmen, genau so lange werden wir einen albernen, kindischen Abgrenzungskampf führen müssen, der einfach alles ist, nur nicht zielführend.
Begreift es doch bitte endlich - alle! - Man könnte sich wundervoll ergänzen, wenn man nicht so superdeutsch überall Jägerzäune aufbauen würde.
Amerika hat das längst begriffen - und das ist so ziemlich das einzig Positive, was ich im Augenblick über diese Nation zu äußern im Stande bin. Das ist meine ganz und gar persönliche, unjournalistische Auffassung, nebenbei.
[Für die Ergänzung, die Breite und die Dinge, die so einige nicht kapiert haben: Der Kollege bringt es auf seine Weise schön auf den Punkt, obwohl er auch Journalist ist. (-: Edit: Auch Andrea hat einen tollen Text zum Thema geschrieben.]
nocturnal rant XVII
Ἁρμαγεδών. Naja. Nicht wirklich. Aber es fühlt sich so an.
Ein Wohnumfeld zu haben, in dem niemals vor drei Uhr morgens Ruhe einkehrt, wirkliche Ruhe, Stille, schickt das Nervenkostüm in Fetzen. Im letzten Sommer haben wir es ertragen, ab und an dazwischengeschossen.
Nicht noch ein verpfuschter Sommer. Nicht in diesem knochenbrechenden Jahr. Heute den Krieg gestartet - zweimal Polizei in vier Stunden, Ordnungsamt wird morgen eingeschaltet, Hausverwaltung steht übermorgen auf dem Plan und die erste Anzeige wird nicht lange auf sich warten lassen. Es ist mir scheißegal, wer mich wann wo und warum für einen Querulanten hält. Alles, was ich will sind drei Stunden Ruhe auf 24, und zwar die zwischen 21h und Mitternacht. Und wenn ich die anders nicht kriegen kann als mit einer Anzeigenserie und der letztendlichen Schließung dieses Ladens, der seine 'Kunden' nicht at bay halten kann - dann bitte. Dann eben so.
Diese Stadt ist mir mit den lärmenden Dauersäufern und den Trinkhallen, die keine Ruhe zu gewährleisten im Stande sind, reichlich zu soft. Daß die lärmenden rücksichtslosen Idioten mehr Recht haben sollen als der anliegende Mieter, leuchtet mir einfach nicht ein. Die pubertierenden Kinder trauen sich kaum noch aus dem Haus, an der Rotte vorbei. Die Eltern leiden, weinen sich bei den Nachbarn aus, kriegen aber den Arsch nicht hoch. Die Gründe für dieses stille Aushalten werden mir ewig unklar bleiben, Gott sei Dank. Es ist zu Kotzen. Dann eben ich. Mir liegt an dieser Wohnung hier und irgendwo muß Schluß sein. Wenn mir nocheinmal ein Polizist etwas von mediteranem Lebensgefühl und Toleranz vorfaselt, muß ich ihm wohl eine längere Vorlesung über anderhalb Jahre Leben in der Toskana halten ... Man kann sich nur noch die Haare raufen ... Was ist mit diesem Land um Himmels Willen passiert, daß alle Welt Toleranz und political correctness mit hier kann jeder machen was er will verwechselt. Und zeitgleich die größte verfassungswidrige Bespitzelungsaktion der eigentlich Regierenden (alle (Staats-)Gewalt geht vom Volke aus) ins Leben gerufen wird, die es hier seit der DDR gegeben hat.
Ich habe dieses Land - namentlich seine Verfassung und sein Grundgesetz - einmal sehr geliebt und glühend verteidigt. Jetzt weiß ich nicht mehr was ich denken soll - von der abstrakten Ebene der Gesetzgebung bis in mein ganz und gar wirkliches Leben hinein ... Fühlt sich mehr als Scheiße an, mit Verlaub.
nocturnal rant XVI
anno domini 2007, berlin, germany, europe, earth Das H******t hat die unglaubliche Traute den Großraum Berlin von beiden Netzen zu nehmen (Telefonie & Internet); die leidgeprüfte Call-Center-Besatzung hat die undankbare Aufgabe den Kunden etwas von 'Wartungsarbeiten' zu erzählen, und wir sind der Arsch vom Dienst, weil wir die verbindlich zugesagten Wartungsarbeiten an einer Kundenapplikation - bewußt in die Nacht gelegt, damit alles in der Früh 'up an' running' ist - nicht leisten können. Ich koche vor Wut. Und amüsiere mich gleichsam über den Webworker von gegenüber, der vor seinem leuchtenden Computerschirm, das Telefon am Ohr, Schleifen ins Parkett tritt. Brothers in trouble ...
Wehe dem, der heute Nacht einen Notarzt braucht, bei selbigem Unternehmen seine Telefonleitung hat und kein Handy besitzt - oder es einfach gerade nicht finden kann.
Diese Chuzpe empört mich. Menschen, die für eine Dienstleistung hart erwirtschaftetes Geld ausgeben ... und dann informiert man einfach mal niemanden, der blöde Kunde muß halt sehen, wie er klar kommt. Selber doof. Daß die Leitung dann doch nach drei und nicht erst nach sechs Stunden wieder da ist, spielt hier eine untergeordnete Rolle. Der Punkt ist, wie hier mit dem Kunden umgegangen wird. Armes Deutschland.
In solchen Nächten neige ich dazu an diesem Land zu verzweifeln. Ein Land ohne Arbeitsethik, eine Bevölkerung, die von ihrer Regierung unter Generalverdacht gestellt wird, eine Regierung, die die weltweit klügste Verfassung, das weltweit beste Grundgesetz von innen aushöhlt, ein gottverdammter Termitenhaufen; der Bürger immer ausgelieferter. Den Dienstleistern, die nicht dienstleisten, dem Fiskus, der auf Raubritter macht, der Gesetzgebung, die jede Bodenhaftung verloren hat ... Und die Karlsruher als letzte Bastion, und niemand, der den Heuschrecken etwas entgegegensetzt. Eine Jugend, der man die Perspektive genommen hat, und die ergo den Arsch nicht mehr hochkriegt, eine Rentnerschar, die sich zu Recht fragt wofür sie ein ganzes Arbeitsleben lang eingezahlt hat, die Selbständigen, die man mit der 'unternehmerischen Verantwortung' völlig alleine läßt - aber Kohle von ihnen nehmen, das geht schon. Ein durchgeknallter Paranoiker, der hier Sachen anleiert, die noch vor fünfzehn Jahren einen Sturm entfesselt hätten ... hier rührt sich fast nichts mehr. Die Leute kämpfen - ein jeder an seiner Front - um das Überleben, um ihre Würde. Da bleibt kein Raum mehr für den Blick zu Seite, für die Kraft der Solidarität. Die Wenigen, die sich den Hinweis auf diese Dinge noch leisten können, können das nur, weil sie nicht um die eigene blanke Existenz kämpfen müssen, und sind entsprechend glaubwürdig. Ex Kathedra läßt sich fein dozieren.
Was soll man da tun - als einer von denen, die sich noch über 'Arsch in der Hose' definieren? Was tut man als mündiger Bürger mit einer Republik, die schleichend aufhört eine zu sein? Was tut man als kreative Kämpfernatur gegen ein Umfeld, das immer weiter in eine Art katatonische Starre verfällt, aus reiner Hilflosigkeit? Was kann man tun gegen die um sich greifende Angst und den von den Göttern sicher nicht gewollten vorauseilenden Gehorsam, der selbst ein Unternehmen, das mit 'print on demand' auf T-Shirts sein Geld verdient, dazu bringt ein potentiell mißliebiges Motiv nicht zu drucken?
Ich behaupte: Das Katatonische ist gewollt. Wer nur so eben irgenwie zurechtkommt, hat kaum noch Kraft und Ideen für anderes. Ich schaue mir die Schere an zwischen Ackermann und Co. und dem ganzen Rest, den kleinen netten Menschen, die bei Jauch auf dem Stuhl sitzen, dort hocken mit der fühlbaren Hoffnung auf das große Wunder. Mit dem Wunsch auf das Entkommen aus all den häßichen Kalamitäten, mit einem Schlag.
Es ist Zeit für eine Revolution.
nocturnal rant XV
Sie haben das Recht die Aussage zu verweigern, so Sie sich damit selbst belasten würden. Mindestens dann. Ultima ratio in der Juristerei.
Aber gegenüber Krankenkassen, dem DRVB, dem Fiskus etc.blabla habe ich eine 'Mitwirkungspflicht'. ?!? Hört mal, Jungs, ich fühle mich da voll im falschen Film. Gesetzt, ich würde da jemanden betuppen - was ich nicht tue - dann soll der das gefälligst selbst herausfinden. Das macht man mit den armen Hartzvierern ja auch bis zum Erbrechen.
Stelle mir gerade vor wie hunderte von Kleinkriminellen plötzlich zum Zwecke der Selbstanzeige die Polizeireviere stürmen. Hübsch.
Und daneben. Denn wir sind nicht kriminell. Kriminell allerdings ist es, daß es hier nicht darum geht abzufragen, ob jemand noch etwas zu kriegen hat - was eigentlich die Aufgabe des DRVB wäre, und der KSK erst recht - sondern absolut durchsichtig darum, herauszufinden, wo man noch eine nachträgliche Einzahlungspflicht 'generieren' könnte. Sie machen sich alle zu Handlangern der größten Sauerei seit Bestehen der Republik.
Diese Land ist zum Brecht-Land geworden. (Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen, und natürlich kommt erst das Fressen und dann die Moral, und der Staat schmatzt am lautesten und unanständigsten.) Es ist zum Kotzen. Wenn ich könnte, würde ich mich jetzt hier verpissen. Aber hastig.
[Bemerkung am Rande: brandeins lesen. Alle! Regelmäßig.] [Bemerkung am Rande II: Ich habe kein Geld, aber im März Geburtstag. Ein brandeins-Abo wäre echt die Schau.] [Bemerkung am Rande III: Die Gedanken dieses Rants sind von mir, brandeins hat sie sauber untermauert.] [Bemerkung am Rand IV: Ich hätte einen reichen Mann heiraten sollen. Oder wenigstens einen unkündbaren Beamten, der für das an allen Ecken begünstigte solide Zweitgehalt sorgen kann.]
nocturnal rant XIV
Was immer man mir gerade hinstellt, werde ich trinken wie Wasser. Selbst Wasser ist davon betroffen. Mein gegenwärtiges Leben verdient den Namen kaum, wirft Fragen danach auf, ob ich nicht vor Jahren auf der Insel hätte bleiben sollen. Diewohl meine Silberschmiedefähigkeiten zu wünschen übrig lassen. Mit anderen Worten: Es gibt Arbeit, laßt uns sehen, daß wir wegkommen.
Ich maloche mir einen Wolf, und wenn ich gerade glaube, nun würde es gut, pumpt mir der Fiskus 25% ab - für Gehsteige voller Stolpersteine und Hundekot, für absetzbare Pauschalen, die angesichts der wirklichen Kosten im besten Fall als schlechter Witz taugen, für ein Gewicht des sogenannten 'unternehmerischen Risikos' unter dem nur der Vorstand von VW nicht zusammenbricht (und wir alle ahnen warum nicht!), für eine Kulturförderung, die den Namen nicht verdient, für ein Land in dem man noch immer nicht überall in Frieden leben kann, wenn man eine dunkle Haut hat, für die Unterschicht-Bande, die mir mit täglicher Rund-Um-Die-Uhr-Lärmemmission - von den Belästigungen auf der eigenen Wohnstraße nicht zu reden ("Ey ,Alte, willste ficken?" - "Ihr Wessis seid doch alle arrogante Arschlöcher!") - jegliches Vergnügen an der nicht wirklich billigen aber schönen Wohnung - und am Büro! - vergällt. Endlos, endlos, das alles ...
Ich kann mir ums Verrecken (sic!) nicht vorstellen, daß es diesem Lande ohne diese träge, feige Luschenregierung wirklich schlechter ginge. Im Gegenteil. Wenn von diesem Gruselkabinett rein gar nichts mehr ausginge, könnten sich möglicherweise die sogenannten freien Kräfte, die dieses Land und seine Menschen wirklich aufzuweisen haben, zur vollen Blüte entfalten. Und wenn diese Unkanzlerin nocheinmal wagt Mut, Innovationskraft und Risikobereitschaft unter anderem von mir zu fordern ... Dann ... Ja, dann besorge ich mir eventuell doch ganz und gar illegal eine Bazooka. Und stelle nachdrückliche Forderungen auf dem Rasen vor dem Gebäude mit der Kuppel. :)
nocturnal rant XIII: anno domini 2006, berlin, germany
Es gibt Nächte voller Fragen, in denen nur die Gespräche mit Freunden und Bekannten für das überlebensnotwendige Stückchen Bodenhaftung sorgen können. Zweiundvierzig Lebensjahre, die man mir nicht ansieht, die ich normalerweise nicht fühle. Im Kokon aus Arbeit und Freunden schon gar nicht. Schaue ich mich aber um, werden die Dinge schwierig ...
Die Welt und ich haben uns durchaus im gleichen Tempo gedreht und verändert. Weder erblindet noch verdummt, war ich doch immer mit im Spiel. Und fühle nun zum ersten Mal, daß dies mein Spiel nicht mehr ist.
- Die Politik höhlt die hart erkämpfen Bürgerrechte aus. Und niemand schreit.
- Die Wirtschaft benutzt und mißbraucht die 'human resources' bis zum Erbrechen. Und nur wenige flüstern Aufbegehren.
- Der 'Sozialstaat' ist zum Ausbeuter Nummer eins geworden. Und niemand schreit
- Die Industrie setzt trotz fetter schwarzer Zahlen 'Arbeitskräfte frei'. Und nur wenige flüstern Aufbegehren.
- Rentenanrechnungszeiten werden still und leise gelöscht. Und niemand schreit.
- Die Klassengesellschaft ist längst Realität. Und niemand schreit.
Und dann im kleineren Kreis:
- Ich versuche deinen Kerl zu ficken, weil ich wissen möchte, ob ich einen Ehemann aus seiner Ehe lösen kann. Reine Neugier. No hard feelings, please.
- Ich versuche dir den laufenden Auftrag abzunehmen, weil ich glaube, daß ich das kann.
- Ich esse an deinem Tisch, und werde dir dennoch bedenkenlos über dich hinweggehen, wenn ich glaube, daß mir das nützt.
- Ich habe einmal gewußt, wie man Loyalität schreibt. Nun ist es mir hinderlich, und ich werde es bedenkenlos vergessen.
- Ich habe keinerlei Probleme mit geistiger Inzucht. Impulse? Wozu? Solange mir dieses Menschenmaterial die Selbstbestätigung gibt, die ich haben will, ist alles in Ordnung - wer braucht Horizonte?
Die Vogonen sind bereits über uns gekommen. Aus unserer eigenen Spezies. Auf den feindlichen Angriff der Aliens zu warten ist längst obsolet geworden.
Ich lebe das einzige Leben das ich habe, unter Vorgaben, die ich mir nicht gewünscht habe. So sind auch diese Auflistungen nicht unbedingt als meine persönlichen Erfahrungen zu verstehen, sondern beziehen sich auf eine Entwicklung, die ich seit Jahren beobachte. Eben dieser Entwicklung werde ich mit aller Kraft entgegentreten wo immer mir das möglich ist. Und daran scheitern. Notwendig. Und mit Stolz.
Ich bin ein Dinosaurier. Und nicht allein.