Die Theorie vom transferierten Schmerz?
Heute säusel ich mir einen an. Ganz langsam und genußvoll. Mit bester Legitimation: Ich habe höllische, irrwitzige, unbeschreibliche Zahnschmerzen. Etwa in der Art des Gefühls, welches entsteht, wenn man mit der Schokolade auch ein Stück Alufolie erwischt hat, und via ein oder anderer Füllung ein gemeiner Kurzschluß entsteht ... Haben Sie's? Wunderbar. Und nun denken Sie sich dies als Dauerzustand ... Alles klar? Paracetamol versagte jämmerlich, Ibuprofen kam an, kann man aber auch nicht werfen wie Drops, und so kam die Verzweiflung im Verein mit der Unvernunft auf den Trunk. Der nun hilft endlich - und ehe sich jemand ernsthafte Sorgen macht: ein halber Liter Wein tötet weder meine Leber noch gar mich.
So lese und schreibe ich mich durch die Nacht, und erfahre aufs Neue: Schmerz zentriert. Man ist in diesem Krampf so ganz und gar bei sich, manchmal fühlt es sich sogar nach 'zu sehr' an. So sehr, wie ich gerade mit ganzem Herzen bei dem gestressten Lieblingsmenschen bin, muß ich zwei davon haben, denn bei dem ruhigen Träumer hinter mir, der da mit meiner Katze im Arm schläft, bin ich kein Jota weniger ... Wie unfair die Bilder im Kopf manchmal sind, wie unfair die stillen Erwartungen, von denen man nichteinmal selber weiß - es sei denn man bekommt des nachts Zahnweh ...
So ist dieser Nachtzustand in Schmerzen ein verwirrendes Brennglas. Werde Tage brauchen, um zu wissen wovon ich rede. Ouah, ich betreibe schon wieder kryptisches Befindlichkeitsbloggen in extenso. Man möge mir verzeihen. Oder mich dafür mögen. Oder eben nicht.
... Hmbl. Ich nutze besser den vermutlich kurzen Moment der Stille in diesem verflixten Zahn und erlöse Sie und mich von nächtlichen Gefühlsschüben ...
Sorry for any inconvenience.
Worte zum Aufheben
Lieb-Haber.
[file under: Gedanken beim Fernsehen.]
Biedermeier
the circle only has one side
Die Medien treiben die Sau 'gierige Großverdiener' durch's Dorf, die Zeiten ändern sich nicht,
zu keiner Zeit ™, die Frustration, die aus der großen schlechten Politik erwächst, ist bodenlos. Unterschreiben wir unsere Petitionen, harren wir der Dinge, wenden wir uns anderem zu ...
Auch bei mir ist das Biedermeier ausgebrochen. Inzwischen verstehe ich diesen Rückzug ins Private sehr gut - er gibt Halt, wo im großen Ganzen keiner mehr ist. Rückzug - keine Blindheit, kein Desinteresse, eher eine abwartende Haltung von der einzigen Insel aus, die im Augenblick möglich scheint ...
Bilder aus den letzten Tagen:
Das strahlende Lächeln des schönen Mannes auf der Straße - ganz dezidiert in mein Gesicht hinein, Gott weiß warum ...
In der Tram der Vater, der seiner weinenden Tochter zu erklären versucht, wie Männer ticken, hilflos, im Kern, aber warm. Außerdem mit einer wunderbaren Stimme ...
Eine laute, temperamentvolle Auseinandersetzung, der der Bogen in den Frieden und den Kern gelingt, Lachen und Selbstironie ...
Die Freundin, die gerade Besuch hat als ich anrufe, und mir doch eine halbe Stunde ihrer Zeit schenkt, warm und gerade ...
Der vietnamesische Blumenhändler, der sich nicht zu schade ist mir für einen gebrauchten, billigen Tontopf fünfzig Cent abzunehmen, einzig, weil ich diesen gerade brauche - und meine Müdigkeit diesem Gewinnstreben gegenüber, der Gedanke in meinem Kopf, daß das alles in einem numinosen 'Früher' einmal anders gewesen wäre ... und wie alt dieser mein Gedanke schon ist. Diese Klage wurde zu Aristoteles Zeiten schon geführt ... Werde ich nur alt, statt weise? Mag sein ...
Die Geburtstagswünsche, die ins Leere laufen - die Fragen, die daraus erwachsen ...
Die Frau in der Mall, die ihre Schönheit und ihren Reichtum vor sich her trägt wie einen Schild - noli me tangere. Ihre Augen sind leer ...
Die junge Frau, die ich nach dem Automaten für PET-Flaschen frage, und die mir mit einem entwaffnenden Lächeln sagt: "Der Automat steht vor Ihnen." ...
Der Autofahrer, dem ich mit Schwung und aus Versehen - Musik auf den Ohren - mit dem Rad die Vorfahrt nehme, und den ich aus dem Augenwinkel lachen und grüßen sehe ...
Wie ähnlich ich meinem Vater bin, wenn ich bei 'Hart aber fair' den Fernseher anschreie, und mich kaum wieder beruhigen kann in meiner zornigen Hilflosigkeit ...
Der Mann, der mir vorsichtig die Hand auf den Oberschenkel legt - ich bin da - weil ich eine bestimmte Filmszene noch immer nicht ertragen kann ...
Der trockene Weißwein, den ich nach der Zahnoperation, und fünf Tagen Enthaltsamkeit in fast jeder Hinsicht, doppelt und dreifach genieße ... zu sehr, vermutlich. Was soll's - dies bleibt mein einziges Leben ...
Die Stimme des Lieblingsmenschen am Telefon, die Rückkehr eines Minimums an Ruhe auf seiner Seite, die auch mich zu beruhigen vermag ...
Die ambivalente Nacht mit mir - mir fehlt die süße Haut. Doch mag ich diesen Zeitstrom ohne Hindernisse und Grenzen. Mein animalisches Ich braucht Solistenzeiten - immer wieder.
Ein paar ganz normale Tage im Jahre des Herrn 2008 ...
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