Und wieder ein Axiom
Vielleicht auch einfach eine lange fällige Wutpredigt...
Mit welchem gottverlassenen Recht geht ihr her und zwingt dem Rest der Welt eure unmenschliche, halbblinde, ichbezogene Weltsicht auf? Schlechtes Karma, Leute. Aber sowas von!
Ja, ich tobe, ich wüte. Ja, dies ist vielleicht ein verfluchter Tagebucheintrag. Nur, daß ich das nicht glaube. Nur, daß ich vielmehr denke, wir kennen das alle - auf die eine oder andere Weise.
Und heute, nunmal, bin ich es sowas von leid! Jawohl! Was - um alles auf dem Planeten - wird denn besser, verflucht, wenn der Selbstschutz wichtiger ist als der Kontakt zu Gegenüber??
Seid ihr so müde, seid ihr so schwach, daß ihr keinen Schmerz mehr riskiert? Verdammt nochmal, dann lasst euch doch direkt einsargen. Das hier tickt nicht so. Wer trachtet jegliche Verletzung zu vermeiden, der vermeidet das Leben selbst. Jeder von uns hat Schmerzen erlitten. Die Meisten von uns leben noch. Nichtsdestotrotz. Das ist kein Versehen.
Niemand hat versprochen daß zu leben neverendingcaliforniansunset sei.
Ich verachte diese Feigheit. Ich fühle tobend wütend in dieser Nacht. Und es steht mir bis zum Stehkragen, daß wir ein Land der Besitzstandswahrung geworden sind. Emotional, materiell, whatever. Meint ihr wirklich, die Versteinerung sei ein Gewinn? Wie blind muß man dafür werden? Wie weit muß man dafür vom dem Bewußtsein der eigenen Endlichkeit abstraieren.
Nein. In aller Arroganz: Ich beneide euch wahrlich nicht. Ihr habt mein Mitleid. Jede Menge davon. Ob ihr wollt oder nicht.
Kopernikus, Keppler, Einstein
Und manchmal, in ganz besonderen Augenblicken, öffnet sich ein Fenster in eine Parallelwelt. Meist nur für Sekunden, mitunter für Stunden. Zeit, in der man bis unter die Haut, bis in den Bauch Klarheit darüber erhält, daß alles, daß man selbst ab einem bestimmten Zeitpunkt auch ganz anders hätte sein können.
Ein anderer Mensch, eine andere Stadt vielleicht, auf jeden Fall ein ganz anderes Leben.
Man erschrickt unwillkürlich.
Es fühlt sich an, als wäre die Erde doch eine Scheibe und man hätte einen kurzen Blick über den Rand getan.
Ich wünscht' mir Wolkenzug zu sein.
Wär' nie lange an einem Platz
und hätte doch alles
im Blick.
African nights
Die Zikaden übten wer-brüllt-lauter als gelte es einen Preis zu gewinnen, an der Decke kreiste träge der Ventilator und raubte mir den letzten Nerv mit seinem defekten Kugellager. Klack -- klack -- klack -- klack. Okay, dann eben nicht. Gehen wir raus in den Hof. Ich schnappte mir Zigaretten und Feuerzeug und schlich leise aus dem Zimmer. Um die andern nicht zu wecken, machte ich im Innenhof kein Licht, zog die Tür leise hinter mir zu und setzte tastend den ersten Schritt auf die Fußmatte.
Oha. Etwas Warmes an der Flanke des nackten linken Fußes spüren, und dann genug Geistesgegenwart haben dem Reflex nicht nachzugeben, das kann sehr wichtig werden in Afrika. Kaum wagte ich zu atmen, schob Arm und Hand Millimeter für Millimeter in Richtung des Lichtschalters, bedacht, mich so wenig wie möglich zu bewegen. Klick. Was ich sah, war kaum angetan mich zu beruhigen: Eine kleine grüne Mamba schmiegte sich an meinen Fuß und blickte, durch das Licht aufmerksam geworden, aus kleinen grün-schwarzen Knopfaugen zu mir auf.
Solange sie jung sind sehen sich die völlig ungefährliche Smaragdschlange und die absolut tödliche grüne Mamba zum Verwechseln ähnlich; man unterscheidet sie unter anderem an der Form der Pupillen. Die Smaragdschlange hat katzenähnliche Pupillen, die der Mamba sind eher rund. Ein Antiserum zum Gift der Mambas - gleich ob grün oder schwarz - gibt es bisher nicht.
Hier gab es kein Vertun - das war eine Mamba. Ich weiß nicht wie lange ich auf dieser blöden Matte stand wie eingefroren, den Herzschlag überlaut in den Ohren, meinen Leichtsinn verfluchend. Verdammt. Ohne Schuhe und ohne Licht. Wie konnte man so blöd sein?!
Eine Ewigkeit später entschied das Tier schließlich, es sei ihm hier endgültig zu hell, und glitt lautlos davon. Die Spannung in meinem Körper löste sich anfallartig. Klappernd schlugen die Zähne aufeinander; ich zitterte von Kopf bis Fuß wie im Schüttelfrost.
O. wunderte sich am nächsten Morgen über mein nächtliches Bedürfnis nach einem doppelten Whisky - Flasche und Glas hatte ich auf dem Tisch stehen lassen. Ich habe es ihm nie erklärt.
Manifest
Ich glaube daran, daß Schreiben politisch sein und wirken kann, ohne sich explizit mit Politik zu befassen. Ich glaube daran, daß es einen Sinn hat, soziale Kälte anzuprangern, die Coolness-Arschlöcher der Welt auszulachen, und Königswissen lächerlich zu machen. Ich glaube daran, daß der einzige Weg nach vorn dort beginnt, wo Menschlichkeit und Rücksicht einen Wert darstellen. Ein kleiner Stein, der im Wasser langsam große Ringe macht.
Was auch immer zu ändern sein mag, wird nur beginnen können in eines jeden Umfeld. Jeder Einzelne kann zur Veränderung beitragen. Jeder. Es ist so leicht über die mangelnde gesellschaftspolitische Relevanz des Schreibens zu lamentieren, hier und anderswo. Es ist so leicht große Reden zu schwingen und seitenlange Briefe zu schreiben an die Ausbeuter der Bauern in Nicaragua. So schön weit weg. So schön abstrakt.
Den Nachbarn freundlich grüßen, obwohl er einen ständig zuparkt, selbstverständlich das Paket annehmen, das nicht für einen selbst ist, der Nachbarin das DSL einrichten, reden, zuhören, da sein, im Kleinen beginnen - das ist langsamer, das sieht nach nichts aus, das verändert die Welt erstmal gar nicht... Meint ihr? Wenn nur einer danach handelt, dann mag das stimmen. Wenn es viele sind, wird sich etwas bewegen.
Vor dem Fenster der Regen, ein Vorhang aus Wasser. Über dem Dach krachend Frühjahrsgewitter. Arbeit auf dem Tisch, Faithless im CD-Player und nicht zum ersten Mal die Frage nach der Naivität. Vielleicht ja. Möglich allerdings, daß diese Naivität wichtig für unser Überleben ist, für das Aufeinanderzugehen, für eine Gesellschaft, die den Namen wieder verdient.
Sentiment
Das Internet. Damals. Man fühlte sich als Pionier. Vieles nur erahnt, wenig verstanden. Aber einlaufen auf irgendeiner Maschine in Kalifornien, mitten in der Nacht. Groß. Die Anfänge mit Akustikkoppler und Dataset. Die ersten eigenen Programme auf dem C64 oder dem 128er. Peekes und pokes. Eine dunkle Idee von der Weite hinter alldem. Die erste Beteiligung an einer Mailbox. Unfassbare Kontakte mit Menschen, die man anders nie gefunden hätte. Dieser Zauber bis heute. Es gibt Minuten, in denen ich, ohne Not, via Modem rausgehe, nur um diese Tonfolge nochmal zu hören, der ich bis heute anhören kann, ob der Handshake funktioniert hat...
Nicht ganz
Wie sehr man sich zerfasern kann über 15 Telefonate an einem Tag. Wie sehr man seine Mitte verlieren kann über 15 Telefonate an einem Tag. Und ihre notwendigen Folgehandlungen. Als ich noch angestellt war, verließ ich am Abend den Laden und mein Kopf war frei. Bis zum nächsten Arbeitstag jedenfalls. Das klappt jetzt nicht mehr. Und mag der Fluch sein an den Dingen, die man tut, weil man sie liebt. Keine halben Sachen, in allem ein paar Tropfen Herzblut. Von dem man, denkt man, nicht so viel hat wie von dem anderen Blut. Und dann hat das alles so viel mit einem selbst zu tun und doch zu wenig. Die Waage stimmt nicht - ich übe noch.
Angstmaschinen (TM P. Praschl)
Schön, wenn man sich für Unterstützung bedankt. Höflich. Freundlich. Was mich stutzig macht: mitunter sind die Dankbarkeitsbekundungen so formuliert, daß zu fühlen ist: Hilfe ist nicht länger eine Selbstverständlichkeit. Vielleicht war sie das nie. Nicht mein Thema. Will auf folgenden Punkt hinaus: Königswissen kann ich persönlich nicht ausstehen. Hat jemand ein Problem, das ich lösen helfen kann indem ich ein paar Codezeilen schicke, dann tue ich das. An wildfremde Menschen. Weiß zu genau wie das ist, wenn man sich zur Problemlösung ganz allein durchkämpfen muß. Das Rad ständig neu erfinden. Das tut nicht Not. Diese Angstbeißerei ist widerlich und zeugt vor allem anderen von einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl. Ich bin sicher, wenn ich alles, was ich weiß an andere weitergebe, hat jener, dem ich es gebe, nicht morgen meinen Job. Mein Job fußt auf technischen Kenntnissen, Einfühlungsvermögen und auf dem, was ICH bin. Heißt: So, genau so, wie ich die Dinge tue, tue sie nur ich. Und ehe jetzt jemand fragt - nein, ich trage kein Helfersyndrom. Mir ist nur sehr klar, wieviel langsamer ich gelernt hätte, was ich lernen wollte/sollte/mußte, wenn es nicht immer wieder Menschen gegeben hätte, denen der freie Fluß des Wissens etwas bedeutete. Uneigennützig und gerade. Mußte einmal gesagt werden. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Gerade erfahre ich wieder, warum ich z.B. eine derart heftige Allergie gegen die Institution katholische Kirche habe. Entschuldigen Sie, ich schweife ab...)
wasted comments dump, ein Bild
Die Vorstellung, daß eine handvoll Menschen eine an anderem Ort begonnene Diskussion in einem großen grünen Papiercontainer fortführt, beim Licht einer Taschenlampe vielleicht, sich ab und an im Nebenher auch mit Papierbällchen bewerfend, gefiel mir.
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